Wiener Arbeiter*innen Syndikat gewinnt Arbeitskampf

Im Arbeitskampf bei Jugend am Werk hat es diese Woche eine spannende Wende gegeben. Montags kam die Genossin, um die es sich handelt, aus ihrem zweiwöchigen Urlaub zurück und hat ein Mail der Geschäftsführung in ihrer Firmen-Mailbox gefunden, mit einer höflich gehaltenen Einladung doch einen Termin auszumachen, um über die Forderungen, die das WAS zuvor kommuniziert habe, zu sprechen. Das Mail war schon vom 16. Jänner und wurde rund eine Stunde nach Beendigung unserer damaligen Kundgebung vor der Zentrale verschickt, erging aber leider nicht an das WAS.

Interessant war zu diesem Zeitpunkt bereits, daß mit diesem Mail schon einige Dinge, die wir zuvor bemängelt haben, erfüllt waren. Einerseits wurde die Kollegin nicht mehr auf ihrem Privathandy in der Freizeit kontaktiert, andererseits wurde mitgeteilt, wer von Seiten JaWs bei dem Gespräch dabei wäre und schließlich war eine sehr konfrontative und rechtlich schlecht bewanderte Person nicht mehr mit eingeplant. Unsere Genossin hat also an diesem ersten Arbeitstag einen Termin gleich für den nächsten Vormittag ausgemacht. Die Begleitung durch unsere Gewerkschaft wurde sofort akzeptiert und war kein Streitpunkt mehr.

Am Dienstag war das Gesprächsklima dann von Beginn an sehr professionell und nicht von Konfrontation wie beim letzten Gesprächstermin (der damals von zwei unbeteiligten GenossInnen des WAS wahrgenommen wurde) geprägt.

Zuerst haben wir klargestellt, daß wir bisher keine Forderungen gestellt haben, sondern lediglich beim letzten Termin vorgerechnet haben, was die Mindest-Gesamtkosten für JaW ausmachen würden, wenn wir die Klage vor dem Arbeitsgericht wegen Kündigung aus Verpönten Motiven gewinnen (wovon wir zu 99% ausgegangen sind). Anschließend haben wir nochmal darauf hingewiesen, daß der Ball seit längerem bei JaW liegt.

Recht flott gab es dann von der Geschäftsführung und der Prokuristin einen konkreten Vorschlag für eine „freiwillige Abgangsentschädigung“ und eine einvernehmlichen Kündigung. Unsere Genossin hat das Angebot in Höhe von rund drei Monatsgehältern unter der Voraussetzung, daß sie bis zur Kündigungsfrist eine Dienstfreistellung erhält, also weitere zwei Monate, die bezahlt aber arbeitsfrei sind, akzeptiert. Wichtig war uns, nicht groß herumzufeilschen, da es nicht um „Maximalgewinn“ für die Genossin gegangen ist, sondern in erster Linie um die Würde und die faktische Anerkennung unseres Arbeitskampfes. Für Mittwoch haben wir uns dann einen neuen Termin zur Unterzeichnung und vorheriger Klärung offener Fragen ausgemacht.

Wir haben anschließend am Dienstag Nachmittag noch einige rechtliche Aspekte recherchiert, um die schriftliche Vereinbarung korrekt zu verfassen. Über diese Punkte gab es dann noch eine respektvolle Mailkommunikation. Eine einzige kleine Änderung unsererseits wurde dann auch verständnisvoll am Mittwoch eingearbeitet.

Die von der kämpfenden Genossin nun unterzeichnete Vereinbarung beinhaltet eine sofortige Dienstfreistellung bis Ende März, also bis zum Ende der Kündigungsfrist, Einvernehmliche Kündigung per 30.3., dadurch folgerichtig Zurückziehung der Klage vor dem Arbeitsgericht unsererseits und eine einmalige freiwillige Abgangsentschädigung in Höhe von 5500,- Euro. Dies sind insgesamt also fast 5 Monate extra bezahlt bzw. an die 9000,- Euro, die somit mit Hilfe des WAS erstritten wurden.

Zwar war die zugrundeliegende Nichtbeachtung der Abmachungen und Arbeitsverträge durch den neuen Vorgesetzten der unteren Leitungsebene, sowie das unwürdige Spiel mit dem Suchen und Konstruieren von Entlassungsgründen, „oder jedenfalls kündigen, falls die Entlassung nichts wird“, Suspendieren, doch nicht Kündigen, Versetzen, doch Kündigen, usw. überhaupt kein Thema mehr, das Angebot an sich war jedoch Zugeständnis genug, zumal noch vor Kurzem jegliche Sondervereinbarung kategorisch ausgeschlossen wurde, und das Prozedere an sich erwartbar und „im Rahmen“ war, um aus einer derartig verfahrenen Situation herauszukommen.

Auch war es JaW wichtig festzuhalten, daß einerseits die gewerkschaftliche Betätigung natürlich frei sei, unsere Gewerkschaft sinngemäß tun und lassen soll, was sie für richtig hält, und es auch keinerlei Forderungen an das WAS gäbe, und andererseits die Beteiligung am Frauenstreik-Streikkomitee angeblich tatsächlich nichts mit der Kündigung zu tun gehabt hätte.

Deshalb haben wir am Mittwoch noch vorgeschlagen, in zwei bis drei Monaten, wenn einerseits die Kollektivvertragsverhandlungen (und der Kampf um die 35-Stunden-Woche) für dieses Jahr vorbei sind, und andererseits wieder mehr Zeit ist, nochmals ein Treffen WAS/JaW-Geschäftsführung zu machen und den Frauenstreik 2019 bei JaW nachzubesprechen. Die Geschäftsführung hat uns zugesagt und wir sollen dann gerne auf sie zukommen.

Insgesamt bewerten wir diesen Arbeitskampf bisher als äußerst erfolgreich. Wir denken, daß wir gezeigt haben, daß wir trotz, für manche Leute fanatisch erscheinender Solidarität und unverhältnismäßigem Aufwand, ganz vernünftige Menschen sind, mit denen man reden und sich auch Dinge ausmachen kann, die halten. Etwas was Einige uns Herrschaftsfreien SozialistInnen gerne absprechen wollen. Auch JaW hat eingelenkt, und gezeigt, daß es für Firmen immer Möglichkeiten gibt.

Vielleicht besteht sogar die kleine Möglichkeit, daß es einen Restfunken sozialen Verantwortungsgefühls innerhalb von JaW gibt und sich die unterschiedlichen Leitungsebenen aufgrund der Größe dieses 1600-Menschen-Betriebes nur nicht im klaren sind welche strukturelle Gewalt hier teilweise ausgeübt wird, und wie groß das „Angstregime“ im voranschreitenden Kapitalismus gegen die Habenichtse (und JaW hat viele teilzeitangestellte Frauen!) eigentlich wirklich ist. Denn was wir die letzten Wochen an Furcht und Unterwürfigkeit erlebt haben, ist unerträglich! Da fürchten sich beispielsweise tatsächlich MitarbeiterInnen, die grundsätzlich solidarisch mit unserer Kollegin sind, davor Betriebsratskandidaturen zu unterschrieben (die ChefInnen niemals zu Gesicht bekommen!), oder fürchten sich davor, daß es eine Kundgebung geben soll, …

Es gab aber auch einige sehr sehr gute Erfahrungen bei den zahllosen Gesprächen, die wir mit unorganisierten MitarbeiterInnen von JaW die letzten Wochen geführt haben. Besonders motivierend war, daß dies teilweise von Menschen gekommen ist, von denen man es nicht erwartet hätte! Manche wollten gleich streiken, Andere sammeln selbständig Unterschriften gegen die Vorgänge, wieder Andere wollten sich – schon während der Suche der fristlosen Entlassungsgründe – darum kümmern, daß unsere GenossIn zu Ihnen versetzt wird, und dann gab es Einige, die – ohne unser Wissen – einen Termin bei Vorgesetzten verlangt haben, um diese damit zu konfrontieren, daß das so nicht geht!

Unser Dank gilt jedenfalls den Unorganisierten, die öffentlich Stellung bezogen haben, sei es mit Unterschriften, oder Teilnahme an der Kundgebung, oder Positionierung in Ihren Teams!

Schließlich muß auch noch angemerkt werden, daß die Sache mit dem direkten Vorgesetzten, der die Probleme überhaupt erst verursacht hat, keinesfalls gegessen ist. Das WAS hat mittlerweile von acht Angestellten Kenntnis, daß es massive Probleme mit Ihm gibt. Eine faszinierende Quote bei einer Anzahl von rund 30 Untergebenen. Was das für das Betriebsklima bedeutet, wenn Angestellte nun sehen, daß wer den Mund diesbezüglich aufmacht – fliegt, kann man sich lebhaft vorstellen. Wie das in Zukunft überhaupt halbwegs funktionieren soll, wenn die Angst dauernd dabei ist, ist schleierhaft. Weitere Konfrontationen sind da eigentlich schon vorprogrammiert.

Speziell sei diese Episode des Klassenkampfes auch noch allen UnkenruferInnen mit Ihrem ewigen „das bringt doch nichts“, „da kann man eh nichts machen“, „das hat doch keinen Sinn“ oder “da seids ihr sehr blauäugig“, ins Stammbuch geschrieben.

Unser besonderer Dank gilt auch allen Internationalen GenossInnen, die sich vorbildlich solidarisiert haben und JaW von Ihrer Meinung informiert haben sowie allen solidarischen Menschen in Wien die uns die letzten Wochen unterstützt haben. Diese wissen aber sowieso „only the organized survive“ – alle Anderen können es an diesem Beispiel wieder einmal sehen.

Denn ganz am Ende war es JaW dann heute bei der Unterzeichnung des Vergleiches schon wichtig zu wissen, ob wir denn am Montag Morgen bei den neuerlichen Kollektivvertragsverhandlungen wieder vorm ÖGB-Hauptgebäude stehen werden (wo wir die letzten KV-Verhandlungstage immer ein paar hundert Flugzettel zur Causa verteilt haben) oder ob wir am 20. Februar jetzt trotzdem die Kundgebung vor der JaW-Zentrale machen wollen.

Eine abschließende Einschätzung, wird es Anfang April geben, wenn wir sehen, ob im Endeffekt wirklich alles so unproblematisch und halbwegs vernünftig geklappt hat, wie es derzeit den Anschein macht.

Und merkt euch: daß ein Angriff gegen Eine ein Angriff gegen alle ist, ist keine leere Floskel von uns!

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